Nachfolgend finden Sie eine ausführliche Berichterstattung zur Anhörung im Wirtschaftsausschuss am 19.06.2014.
NDR Nordmagazin 19.06.2014:
Öffentliche Anhörung zu Ferienhäusern
Der Umfang der statistisch nicht erfassten Vermietung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern privater Vermieterinnen und Vermieter mit weniger als zehn Betten wurde erstmals in der im November letzten Jahres vorgestellten Landesstudie untersucht. Die Landesregierung zeigte sich überrascht, dass der Anteil des nichtgewerblichen Ferienwohnungsmarktes fast genauso hoch ist wie der gewerbliche Ferienwohnungsmarkt. Die Studie räumt ein, dass der Umfang privater Vermietung noch weit höher sein kann. So wird beispielsweise Kühlungsborn mit gut 400 Ferienwohnungen benannt, tatsächlich sind es rund 700. Leider spart die Studie eine eingehende Untersuchung der gravierenden Auswirkungen des Urteils völlig aus – heute findet die öffentliche Anhörung statt.
Spielräume für Ferienwohnungen
Nordmagazin – 19.06.2014 19:30 Uhr
In Wohngebieten sollen keine Ferienwohnungen zulässig sein. Für die Vermieter ist dies eine Katastrophe und die Urlauber bleiben weg. Doch es gibt Spielräume.
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OZ Onlineausgabe 20.06.2014:
Schwerin
Zoff um Ferienwohnungen: Land will Wogen glätten
SPD und CDU starten Bundesratsinitiative. Rechtshilfe für Kommunen soll Nachbarschaftsstreitereien beilegen.
Schwerin. Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, dichtete einst Friedrich von Schiller im Drama „Wilhelm Tell“. Dramatisches spielt sich zurzeit auch an Mecklenburg-Vorpommerns Ostseeküste ab — ein Drama um Feriengäste, Missverständnisse und angestaubte Gesetze. Oder frei nach Schiller: Es kann der Frömmste nicht in Frieden vermieten, wenn es seinem Nachbarn sauer aufstößt. Gestern beschäftigte sich der Landtag in Schwerin in einer öffentlichen Anhörung mit dem ausgerechnet kurz vor der touristischen Hochsaison entbrannten Nachbarschaftskrieg um Ferienwohnungen.
„Wenn es so weitergeht, wird es bald keine Ferienwohnungen mehr geben — zumindest nicht in Mecklenburg-Vorpommern, denn andere Länder handhaben das anders“, gab der Rostocker Rechtsanwalt Dirk Wolter zu bedenken. Laut Wirtschaftsministerium weist der Nordosten etwa 9700 Anbieter von Ferienwohnungen mit 106 000 Betten aus, viele davon privat vermietet in reinen Wohngebieten. Obwohl das Oberverwaltungsgericht Greifswald bereits 2007 urteilte, dass dies nicht zulässig sei, scherte sich jahrelang niemand darum, bis — angefacht von Nachbarschaftskonflikten in Nordwestmecklenburg — eine wahre Bußgeldwelle die Küste in Richtung Osten hinaufrollte. Plötzlich gab es Kläger, und die Kommunen sahen sich genötigt, mit drakonischen Strafen einzuschreiten.
Vermieter hätten Anfang April Nutzungsverbote zum 15. Juni erhalten, mitten in der Saison, erboste sich gestern Hans Volkmann von der Bürgerinitiative „Pro Urlauber als Nachbarn“. Kühlungsborns Bürgermeister Rainer Karl erklärte, es herrsche Unfrieden im Ostseebad. Anwohner berichten hinter vorgehaltener Hand, dass die Front in Kühlungsborn quer durch Wohngebiete und Familien verlaufe.
Verdeckter Unmut schlage in offenen Hass um. Ehemals gute Freunde denunzierten sich gegenseitig.
Die Opposition im Schweriner Landtag hält diese Zustände für unzumutbar und forderte die rot-schwarze Landesregierung deshalb auf, den Zwist wenigstens für die laufende Saison mit einem Moratorium auf Eis zu legen. Doch SPD und CDU zeigten sich wiederholt unnachgiebig. Der Regierung seien rechtlich die Hände gebunden, erklärten wortgleich die Abgeordneten Jochen Schulte (SPD) und Wolfgang Waldmüller (CDU). Bestehende Gesetze zu ignorieren, verstoße schlicht gegen das Grundgesetz. Wolter schlug Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) vor, den Kommunen einen Ausweg aus dem Dilemma zu ermöglichen — mit einer Handreichung. Professor Gerrit Manssen vom Lehrstuhl für Verwaltungsrecht Regensburg erklärte, was darunter zu verstehen sei: „Es besteht keine Pflicht zum Eingreifen“, erklärte er. Das Land könne bei den Bauaufsichtsbehörden in den Landkreisen eine gewisse Zurückhaltung bei Verboten von Ferienwohnungen einfordern und Rechtssicherheit schaffen — für Manssen „die einzige Lösung“.
Schulte und Waldmüller nahmen den Vorschlag auf und versprachen, noch vor der Sommerpause eine solche Handreichung auf den Weg zu bringen. Außerdem will das Land eine Bundesratsinitiative starten, um rechtlich Klarheit zu schaffen und die Verbote aus der Welt zu bringen. Bis dahin jedoch, das stellte auch der Stadt- und Regionalplaner Lars Fricke klar, sei ein Moratorium die einzige Lösung.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Suhr zeigte sich erleichtert, dass sich die Landesregierung endlich bewege. Linksfraktionschef Helmut Holter betonte, es müsse im Umgang mit den Ferienwohnungen dringend Ruhe einkehren.
Teufelskreis
Von Jörg Köpke
Es wäre falsch, mit Blick auf den Nachbarschaftskrieg um Ferienwohnungen von einer Provinzposse zu sprechen. Wer sich daran stört, dass Urlauber privat bei seinem Nachbarn untergebracht sind und diese mitten in der Woche grillen, lachen und feiern, hat das Gesetz auf seiner Seite. Er kann sich beschweren, und die Kommune muss einschreiten — in Form von Verboten und Bußgeldern. Dass jahrelang nichts dergleichen passierte, hat eine einfache Erklärung: Es juckte niemanden. Dieses Land braucht Touristen. Wer sägt schon den Ast ab, auf dem er sitzt? Anders formuliert: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Erst kleinere Nachbarschaftsscharmützel machten Kreise darauf aufmerksam, dass die Gesetze seit 2007 Vermietungen in reinen Wohngebieten eigentlich gar nicht gestatten. Die Folge: Verbote und Denunziationen. Nur wenn es der Landesregierung gelingt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und das Untersagte legal zu tolerieren, kann wieder Ruhe einkehren. Alles andere würde den Ruf des Landes als Touristenhochburg nachhaltig schädigen.
OZ Printausgabe 20.06.2014:



NNN Printausgabe 20.06.2014:

Internetseite des Ausschusses für Wirtschaft, Bau und Tourismus des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern:
Zulässigkeit von Ferienwohnungen in Wohngebieten
50. Sitzung
Öffentliche Anhörung zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Landesweites Moratorium für vorhandene Ferienwohnungen bzw. -häuser in Wohngebieten und unbeplanten Innenbereichen“
Der Wirtschaftsausschuss führte in seiner 50. Sitzung am 19. Juni 2014 auf Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landesweites Moratorium für vorhandene Ferienwohnungen bzw. -häuser in Wohngebieten und unbeplanten Innenbereichen – Drucksache 6/2967– eine öffentliche Anhörung durch, an der sieben von insgesamt zehn eingeladenen Sachverständigen teilnahmen.
Hier die von den geladenen Sachverständigen eingereichten Stellungnahmen: Ausschussdrucksachen
6/190, 6/191, 6/192, 6/193, 6/194, 6/195 und 6/196.
Landesweites Moratorium wäre rechtswidrig
Zum Anhörungsthema machte Prof. Dr. Gerrit Manssen während der Anhörung deutlich, dass der Landtag keine verbindlichen Beschlüsse für den Verwaltungsvollzug treffen könne. Misslich sei, dass die Baunutzungsverordnung (BauNVO) des Bundes keine ausdrückliche Regelung über Ferienwohnungen enthalte. Eine entsprechende Anpassung der BauNVO wäre daher wünschenswert. Für ein verträgliches Nebeneinander von Wohnnutzung und Vermietung an Feriengästen zu sorgen, sei Aufgabe der kommunalen Bauleitplanung. Hinsichtlich der Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnung müssten jeweils die Besonderheiten des Einzelfalls betrachtet werden. Eine Aufforderung an die Landesregierung, ein allgemeines Moratorium zu erlassen, werde den Besonderheiten der Einzelfälle nicht gerecht. Ein landesweites Moratorium wäre zudem rechtswidrig und sollte daher nicht stattfinden. Das geltende Recht sei hinreichend flexibel, um im Einzelfall angemessene Lösungen zu ermöglichen.
Steuerungsmechanismus hinsichtlich der Quantität der angebotenen Privatquartiere entwickelt
Der Hauptgeschäftsführer des DEHOGA M-V, Herr Matthias Dettmann hob hervor, dass der Verband die ausufernde Praxis im Bereich der privaten Vermietung von Ferienwohnungen eher kritisch sehe und daher ein Steuerungsmechanismus hinsichtlich der Quantität der Privatquartiere im Sinne einer „gesunden“ Entwicklung entwickelt werden müsste. Zukünftig dürfe die Festsetzung neuer B-Pläne nicht per se die Möglichkeit der Privatvermietung festschreiben.
Bauaufsichtsbehörde muss Recht umsetzen
Der Landrat des Landkreises Rostock, Herr Sebastian Constien stellte fest, dass sein Landkreis als unterer Bauaufsichtsbehörde die Aufgabe habe, Recht umzusetzen und auf Anzeigen sowie Beschwerden zu reagieren. Vor dem Hintergrund der schwierigen Rechtslage sei es wichtig, dass sich das Land für eine entsprechende Änderung der BauNVO einsetze, um eine rechtliche Klarstellung zu erreichen.
Image der Küstenregion leide
Der Bürgermeister des Ostseebades Kühlungsborn, Herr Rainer Karl, befürwortete ebenfalls, seitens des Landes eine Initiative zur Änderung der Baunutzungsverordnung anzustreben und erklärte dass durch die aktuelle Situation insbesondere das Image der Küstenregion leide.
Landesweites Moratorium dringend erforderlich
Dr. Hans Volkmann von der Bürgerinitiative „pro Urlauber als Nachbarn“ Kühlungsborn begrüßte den vorliegenden Antrag. Ein landesweites Moratorium sei dringend erforderlich und sollte sofort in Kraft treten, um weiteren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Zahlreiche Kommunen würden inzwischen ihre Planungshoheit wahrnehmen und Bauleitpläne ändern. In der Zeit des Moratoriums sollten erteilte Verfügungen ausgesetzt, begonnene Verfahren ruhen und keine neuen Verfahren eröffnet werden.
Paradoxe Situation
Herr Lars Fricke vertrat als Mitinhaber des Planungsbüros „Stadt- und Regionalplanung“ die Auffassung, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) MV von den Kommunen jeweils verlange, eine Lösung für ihr Problem zu finden, für das es keine bzw. nur eine sehr unsichere Rechtsgrundlagen gebe. Ein Problem sei insbesondere die strenge Auslegung des OVG-Urteils. Fraglich sei, ob man im Land tatsächlich eine über 100 Jahre gewachsene Tradition und Normalität künftig unterbinden wolle.
Handreichung erforderlich
Abschließend stellte der Fachanwalt für Verwaltungsrecht sowie Bau- und Architektenrecht, Herr Dirk Wolter, klar, dass es selbst aus der Sicht des OVG MV offenkundig erhebliche Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang der bauplanungsrechtlichen Einordnung von Ferienwohnungen gebe. Eine Handreichung für Kommunen und Baubehörden wäre dennoch zwingend erforderlich, um Verwaltungshandeln zu vereinheitlichen und vor allem kurzfristig die Rechtssicherheit zu erhöhen.